Redakteurin Stephanie Heckner zur Idee und Entstehungsgeschichte des dritten Franken-Tatort âAm Ende geht man nacktâ:

making of, von links: Dagmar Manzel als Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn, Fabian Hinrichs als Kriminalhauptkommissar Felix Voss und BR Redakteurin Dr. Stephanie Heckner
Als mich der Autor Holger Karsten Schmidt mit dem Produzenten Martin Zimmermann im November 2014 besuchte, hatte er zwei Ideen fĂŒr den Franken-Tatort im GepĂ€ck: das FlĂŒchtlingsthema und IS-RĂŒckkehrer. Beides heiĂe Eisen. Wir entschieden uns fĂŒr das FlĂŒchtlingsthema, und schon mit dem ersten ExposĂ© stand der Titel fest:
âAm Ende geht man nacktâ.
Zwischen Ende 2014 und heute haben wir bei der Entwicklung des Drehbuchs vielfach Blut und Wasser geschwitzt, weil sich die Vorzeichen stĂ€ndig Ă€nderten, die Brisanz wuchs und die HerkunftslĂ€nder der FlĂŒchtlinge  wechselten. Unser Stoff verĂ€nderte sich immer mit. Die FlĂŒchtlingsunterkunft wandelte sich vom Auffanglager mit Kleiderkammer in eine Gemeinschaftsunterkunft und fand ihren ErzĂ€hlort und Drehort schlieĂlich in Bamberg. Letzteres aus produktionslogistischen GrĂŒnden und weil mit dem dritten Film nun definitiv Oberfranken an der Reihe war.
Wir haben diesmal sehr viele Franken im Cast, dazu die Darsteller der Asylbewerber mit ganz unterschiedlichem Hintergrund: Sie stammen aus dem Irak, dem Iran, dem Libanon, aus Marokko, PalÀstina, Ghana oder Tunesien. Eine der zentralen Figuren im Film, der syrische Kinderarzt Mohammed Amir, der in Kobane Verletzte operiert hat, bevor er von dort floh, sagt zu Felix Voss:
„Jeder, der meint, dass er einem Mann in Not nicht die Hand reichen mag, sollte da gewesen sein. Wenn wir uns nicht gegenseitig die Hand reichen… am Ende gehen wir, wie wir gekommen sind. Am Ende gehen wir nackt.“
Mir ist persönlich und ganz grundsĂ€tzlich nicht wohl dabei, dass wir mit diesem Film einen Brandanschlag auf eine FlĂŒchtlingsunterkunft in Bamberg inszenieren und somit ein solches Verbrechen fiktiv in die Welt setzen, das so nie passieren dĂŒrfte und dennoch real passiert. Ich fĂŒhle schon jetzt ein Unwohlsein vor dem Drehtag, an dem der Brandanschlag filmisch passiert. Aber wenn wir mit dem Tatort ein Millionenpublikum erreichen und es vielleicht schaffen, einen Schulterschluss zu bilden unter denen, die gesellschaftlich offen denken, ohne blauĂ€ugig zu sein, und dabei fĂŒr einen Moment diejenigen zu einem Perspektivwechsel verfĂŒhren, die Ă€ngstlich gegenĂŒber Fremden sind, dann wĂŒrde uns das freuen. Der neue Franken-Tatort möchte dazu ermuntern, in Menschen aus anderen Kulturen eine Bereicherung zu sehen. Und er möchte sich dem anschlieĂen, was die Mehrheit in Deutschland trotz aller rassistischen Ăngste immer noch meint: dass es Not tut, denen zu helfen, die in Not sind.
In Felix Voss, der verdeckt in der Bamberger FlĂŒchtlingsunterkunft ermittelt, sehe ich eine Art Mittler fĂŒr den Zuschauer. Jemanden, der dort NĂ€he findet und dadurch Geschichten von den Menschen erfĂ€hrt, die aus Gegenden kommen, in denen Gefahr zur NormalitĂ€t wurde. Voss steigt geistig ĂŒber den Zaun. Und Paula Ringelhahn ergreift angstfrei und unverblĂŒmt Partei. Das sollten wir alle tun.